Angespannt kam die Gruppe auf dem Gelände an, auf dem die grausamen Euthanasie-Morde stattgefunden haben. Frau Bauer, eine nette junge Frau, führte die Menschen mit Behinderungen und ihre Begleiterinnen über das Gelände. Zuvor gab es eine Einführung in das Thema in Leichter Sprache. Behutsam wurde das strukturierte, durchorganisierte Vorgehen der Nazis zur Vernichtung „unwerten Lebens“ vorgetragen. Alle wurden emotional tief berührt, zumal auch noch zutage kam, dass auch Menschen aus dem Bezirkskrankenhaus Lohr am Main, in Grafeneck umgebracht wurden. Die Namen dieser 76 Opfer aus Unterfranken sind bis heute unbekannt. Auf dem Gelände, der ehemaligen Vernichtungsstätte, leben heute auch wieder Menschen mit Behinderungen.
Tief betroffen traten die Menschen der Lebenshilfe Miltenberg die Rückfahrt an und waren sich sicher, mit dem Projekt weiter zu machen, indem das Erlebte aufgeschrieben wird.
Eine Woche später startete das Kunstprojekt „SICHTBAR“ unter Leitung von Thea Nodes-Brand und Sandra Wörner im Sternstundenhaus. Nach einer Einführung in das Thema durch Sabine Prigandt-Kolb, in einfacher Sprache, ging es mit dem Malen los. Die beiden Künstlerinnen leiteten Menschen mit Behinderungen und jeweils einen dazugehörigen Elternteil beim Malen an. Es entstanden großformatige Portraits über Opfer der Euthanasie. Durch die Biografie erfuhren die MalerInnen einiges über die ermordeten Menschen. Viele Emotionen kamen beim Malen auf.
Zweiundzwanzig eindrucksvolle Bilder sind in zehn Wochen zum Gedenken an Opfer der "NS-Euthanasie" entstanden. Menschen mit und ohne Handicaps haben mit viel Ausdauer, Engagement und Einfühlungsvermögen Porträts anhand von teilweise über einhundert Jahren alte Fotos gemalt.
Impressionen von den Maltagen im Sternstundenhaus in Weylbach zeigen wir Euch hier:
Die Ausstellung haben wir "SICHTBAR" genannt, weil es uns ein großes Anliegen ist, Menschen die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, weil sie nicht deren Norm entsprachen, sichtbar zu machen.
Zeitgleich startete Herr Dr. Linduschka mit hochbegabten SchülerInnen vom bayerischen Untermain im Enrichmentkurs Texte über das Leben der Opfer zu schreiben. Über mehrere Wochen setzten sich die SchülerInnen in ihrem Kurs mit dem Thema Euthanasie auseinander. Es sind viele gute Texte entstanden, die bei der Vernissage in der Zehntscheune vorgetragen werden sollten.
Parallel arbeitete die Gruppe „Wir für Dich“ am Thema Euthanasie-Morde weiter, um den Besuch der Gedenkstätte Grafeneck zu verarbeiten. Es entstanden Texte, Gedichte und sogar ein Video zum Thema „Nie Wieder!“.
Am 29. April 2023 um 19 Uhr, konnten in der Zehntscheune in Kleinwallstadt die Kunstwerke im Rahmen der Veranstaltung "NIE WIEDER!" angeschaut werden.
Die Ergebnisse des Kunstprojektes wurden ebenso präsentiert, wie die entstandenen Texte des Enrichmentkurses von Herrn Dr. Linduschka. Auch die Arbeitsergebnisse der Gruppe „Wir für dich“ wurden in Beiträgen vorgetragen. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit zwei Liedern des Chores „Lebensfrohe Stimmen“. Nach Grußworten von Dr. Galmbacher, der die Wichtigkeit des Themas hervorhob, sprach Justin Kettinger eine kurze Begrüßung. Der ortsansässige Bürgermeister Herr Köhler begrüßte freundschaftlich die Gäste in „Kleinwallstadts Wohnzimmer“. Die restaurierten Gemäuer der Zehntscheune bildeten eine hervorragende Kulisse für die entstandenen Kunstwerke.
Viele Gäste betonten die Wichtigkeit des Themas, um nicht zu Vergessen.
Wie geht es weiter?
Die Portraits sollen mit den Texten auf Wanderausstelllungen gehen. Verschiedene Anfragen liegen uns vor. Die Ergebnisse (Bilder und Texte) sollen in einem Kunstkatalog abgedruckt und dadurch nachhaltig dokumentiert werden.
Vielleicht entschließen sich Aufsichtsrat und Geschäftsführung dauerhafte „Erinnerungsplätze“ in den Einrichtungen der Lebenshilfe Miltenberg einzurichten, wenn die Bilder von den Wanderausstellungen zurückgekehrt sind.
Den Opfern wäre es ein würdiges Gedenken.
Denn: „Was nicht erinnert wird, kann jederzeit wieder geschehen, wenn die äußeren Lebensumstände sich entscheidend verschlechtern“ (Dorothea Buck).
Deshalb entstand das Projekt NIE WIEDER!